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Niedrige Steuern

Leistung, Verantwortung und der Staat: Eine differenzierte Antwort auf einen verbreiteten Vorwurf

"Es ist keine Leistungsorientierung, wenn Schwerreiche gern niedrigere Steuern zahlen möchten."

Diese Aussage provoziert. Und sie trifft einen wunden Punkt: das Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichem Erfolg, gesellschaftlicher Verantwortung und staatlicher Ordnungspolitik. Doch wie so oft, lohnt es sich, genauer hinzusehen – und zu differenzieren.

1. Verantwortung beginnt mit Legalität

Selbstverständlich: Wer Vermögen besitzt und sich steuerlich seiner Pflicht entzieht, verstößt gegen geltendes Recht. Hier muss der Rechtsstaat mit aller Konsequenz handeln. Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt, sondern schadet dem Gemeinwohl. Punkt.

Aber nicht jeder, der für kluge Steuermodelle plädiert oder über steuerliche Belastung diskutiert, stellt sich gegen das Gemeinwesen. Im Gegenteil: Gerade in der Sozialen Marktwirtschaft Ludwig Erhards gehört zur Verantwortung auch, berechtigte Kritik zu üben und Reformen anzustoßen, wo Strukturen überholt sind.

2. Standortattraktivität ist kein Egoismus

In einer globalisierten Welt konkurrieren Länder um Kapital, Talente und Innovation. Die Steuerpolitik ist ein wichtiger Bestandteil dieser Standortattraktivität.

Wer Investitionen will, muss Rahmenbedingungen schaffen, die diese Investitionen auch rechtfertigen. Das heißt nicht: Dumping. Aber es heißt: Wettbewerbsfähigkeit.

Wenn also vermögende Unternehmer und Unternehmen steuerliche Rahmen kritisieren, kann das sehr wohl ein Ausdruck langfristiger Verantwortung sein: Sie machen deutlich, wo die Balance zwischen Beitragsleistung und Investitionsanreiz zu kippen droht.

3. Effektivität des Staates ist Teil des Vertrags

Leistungsträger dürfen vom Staat erwarten, dass mit Steuergeldern verantwortungsvoll umgegangen wird. Nicht nur gesetzestreu, sondern auch wirksam.

Wenn Unternehmen Lean Management, agile Methoden und kontinuierliche Verbesserung als Standard leben, wächst das Verständnisproblem gegenüber einer öffentlichen Verwaltung, die überreguliert, veraltet und innovationsmüde erscheint.

Der Staat darf nicht nur fordern – er muss auch liefern.

4. Peter Drucker und die "Bearable Society"

Peter Drucker prägte den Begriff der "bearable society" – einer Gesellschaft, in der Ungleichheit dann tragfähig ist, wenn sie mit Chancengleichheit und gesellschaftlicher Verantwortung einhergeht.

In diesem Sinne ist nicht die Vermögenshöhe entscheidend, sondern die Haltung: Philanthropie, Gemeinwohlorientierung, Bildungsengagement. In Deutschland zeigt sich das etwa in Stiftungen wie der Dieter-Schwarz-Stiftung.

5. Die Soziale Marktwirtschaft fragt anders

Nicht: "Wie viel lässt sich umverteilen?", sondern: "Wie schaffen wir mehr Eigentum für mehr Menschen?"

Leistung lohnt sich dann, wenn sie nicht abgewertet, sondern eingebettet wird in ein System der Teilhabe, der sozialen Sicherung und der fairen Chancen. Dazu gehört auch, nicht jeden Wunsch nach Steuerreform moralisch zu diskreditieren.

Fazit

Steuern sind kein Strafinstrument – sie sind Mittel zum Zweck. Und dieser Zweck heißt: ein starker, handlungsfähiger Staat, der Chancen schafft und Zukunft gestaltet. Wer sich für eine verantwortungsvolle Steuerpolitik ausspricht, stellt das nicht infrage. Er erinnert uns nur daran, dass Verantwortung keine Einbahnstraße ist.