Am 26. Juni 2014 hatte ich die Ehre, Prof. Felix von Cube als Referent bei einer Veranstaltung der Peter Drucker Society in Mannheim zu erleben. Sein Thema, "Fordern statt Verwöhnen - Lust an Leistung", faszinierte mich auf Anhieb.
Ich hatte das Privileg, ihn von seinem Wohnort in Mückenloch zu der Veranstaltung und danach wieder zurückzubringen. Während unserer Fahrt hatten wir die Gelegenheit, tiefer in die Themen einzutauchen, die er während seiner Präsentation angesprochen hatte.Mit Nachdruck erklärte er mir, dass die Triebe, die er in seinen Untersuchungen als grundlegend identifiziert hatte, Naturgesetze sind und ihre Gültigkeit nicht verlieren werden.
Ich erinnere mich noch deutlich an seine Worte:
Herr Doppler, die Triebe des Menschen sind ein Naturgesetz. Sie werden sich nicht ändern. Ihre Gültigkeit ist ewig, genau wie der Satz des Pythagoras. (Prof. Felix von Cube)
Diese Worte haben sich tief in mein Gedächtnis eingeprägt und meine Sicht auf Leistung und Führung stark beeinflusst.
Der menschliche Trieb und Leistung
Prof. Felix von Cube hat fünf menschliche Triebe in seiner Arbeit als essentiell für unser Verhalten und unsere Leistung herausgestellt. Diese Triebe sind tief in unserer Biologie und Psychologie verwurzelt und beeinflussen unsere Entscheidungen und Handlungen auf grundlegende Weise.
- Nahrung: Dieser Trieb ist fundamental für unser Überleben. Wir suchen und konsumieren Nahrung, um unseren Körper zu nähren und zu pflegen. Es ist ein starker Trieb, der unser Verhalten in vielfältiger Weise beeinflusst, von den Lebensmitteln, die wir wählen, bis hin zu den Zeiten, zu denen wir essen.
- Sex: Der Sexualtrieb ist ein zentraler Aspekt unserer biologischen und psychologischen Identität. Er beeinflusst unser Verhalten in Bezug auf Partnerwahl, Fortpflanzung und soziale Interaktionen.
- Aggression: Aggression ist ein Trieb, der uns dazu bringt, unsere Ressourcen und Positionen zu verteidigen und zu erweitern. Er kann uns dazu motivieren, Risiken einzugehen, zu konkurrieren und uns selbst zu überwinden.
- Neugier: Die Neugier treibt uns an, neue Dinge zu lernen und zu entdecken, unser Wissen und unsere Erfahrungen zu erweitern. Sie motiviert uns, Herausforderungen anzunehmen und Probleme zu lösen, was zu Innovation und Fortschritt führen kann.
- Bindung: Dieser Trieb motiviert uns, Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Bindung fördert Kooperation, Empathie und soziales Lernen. Sie ist die Basis für das Arbeiten im Team. Gemeinsam gelingt, was alleine nicht gelingen kann.
Diese Triebe bilden die Grundlage unserer Motivation und Leistung. Sie motivieren uns, hart zu arbeiten, um unsere Bedürfnisse zu erfüllen, unsere Ziele zu erreichen und unser Überleben und Wohlergehen zu sichern. Wenn diese Triebe positiv kanalisiert und unterstützt werden, entfalten die Menschen eine hohe Leistungsfähigkeit bei hoher Zufriedenheit und Engagement am Arbeitsplatz. Zu beachten ist, dass Menschen keine Maschinen sind. Jeder Mensch ein Individuum. So gesehen sind die Triebe bei jedem vorhanden aber in unterschiedlicher Intensität ausgeprägt.
Der Mensch ist nicht auf Schlaraffenland programmiert, sondern auf Anstrengung. (Prof. Felix von Cube)
Das Naturell des Menschen passt zum Grundsatz des Forderns und Förderns. Der Mensch ist von Natur aus bestrebt, seine Fähigkeiten weiterzuentwickeln und Herausforderungen zu meistern. Dies entspricht dem Prinzip, durch gezieltes Fordern das Potenzial zu entfalten und durch Fördern das Wachstum zu unterstützen.
Auswirkungen einer schlaraffenlandähnlichen Umgebung auf die Psyche
Wenn Leistung nicht abverlangt wird und die Umgebung schlaraffenlandähnlich gestaltet ist, können sich negative Auswirkungen auf die Psyche des Menschen einstellen. Diese Situation widerspricht dem menschlichen Bedürfnis nach Herausforderungen und persönlichem Wachstum.
Leistung muss abverlangt werden, sonst entfaltet sie sich nicht. (nach Dr. S., einer meiner ehemaligen Kollegen)
Felix von Cube über die Auswirkungen
Prof. Felix von Cube betont, dass der Mensch nicht für eine schlaraffenlandähnliche Umgebung gemacht ist, in der keine Herausforderungen bestehen und alles ohne Anstrengung verfügbar ist. Laut von Cube führt dies zu einer Unterforderung und Langeweile, die negative psychische Folgen haben können:
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Langeweile und Unzufriedenheit: Menschen in einer solchen Umgebung fühlen sich oft gelangweilt und unzufrieden, weil sie keine Herausforderungen haben, an denen sie wachsen können. Die Triebe des Menschen, insbesondere Neugier und Aggression, bleiben ungenutzt, was zu einem Gefühl der Sinnlosigkeit führen kann.
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Mangelnde Erfüllung: Ohne die Möglichkeit, Leistungen zu erbringen und Erfolge zu feiern, fehlt vielen Menschen das Gefühl der Erfüllung und des persönlichen Wachstums. Dies kann zu einem Mangel an Selbstwertgefühl und Motivation führen.
Psychologische Perspektiven
Moderne Psychologen unterstützen von Cubes Sichtweise und heben weitere psychologische Auswirkungen hervor:
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Verlust von Resilienz: Psychologen wie Carol Dweck, bekannt für ihre Arbeiten zum "Growth Mindset", argumentieren, dass Herausforderungen und das Überwinden von Schwierigkeiten entscheidend für die Entwicklung von Resilienz sind. In einer schlaraffenlandähnlichen Umgebung können Menschen diese wichtigen Fähigkeiten nicht entwickeln.
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Erhöhte Anfälligkeit für Depressionen: Studien zeigen, dass Menschen, die unterfordert sind und keine sinnvollen Ziele haben, ein höheres Risiko für Depressionen und Angstzustände haben. Das Fehlen von Herausforderungen kann zu einer existenziellen Leere führen.
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Mangelnde Problemlösungsfähigkeiten: Ohne die regelmäßige Auseinandersetzung mit Herausforderungen fehlt es den Menschen an Gelegenheiten, Problemlösungsfähigkeiten zu entwickeln und ihre kreativen Fähigkeiten zu nutzen. Dies kann langfristig ihre Fähigkeit beeinträchtigen, mit realen Lebensherausforderungen umzugehen.
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Motivationsverlust: Psychologen wie Mihaly Csikszentmihalyi, der das Konzept des "Flow" prägte, betonen, dass das Erleben von Flow-Zuständen – bei denen man völlig in einer Aufgabe aufgeht – für das psychische Wohlbefinden wichtig ist. In einem Schlaraffenland gibt es keine Anreize, in solche Zustände zu gelangen, was zu Motivationsverlust führt.
Die Bedeutung von Flow und die Vermeidung von Überforderung und Unterforderung
Was ist Flow?
Der Begriff "Flow" wurde von dem Psychologen Mihaly Csikszentmihalyi geprägt und beschreibt einen mentalen Zustand, in dem eine Person vollkommen in eine Tätigkeit vertieft ist und dabei ein Gefühl von Erfüllung und Glück erfährt. Ein Flow-Erlebnis tritt auf, wenn die Anforderungen einer Aufgabe genau im Gleichgewicht mit den Fähigkeiten einer Person stehen. Es ist ein Zustand maximaler Produktivität und Kreativität, der häufig mit einer hohen Zufriedenheit verbunden ist.
- Voraussetzungen für Flow: Flow entsteht, wenn klare Ziele definiert sind, sofortiges Feedback vorhanden ist und die Herausforderungen der Aufgabe den Fähigkeiten des Einzelnen entsprechen. Das Erleben von Flow motiviert Menschen und erhöht ihre Leistung erheblich. Idealerweise erfolgt das in den der Lean Management Philosophe folgend organisierten Shopfloormanagement-Meetings oder Daily's im Office und der kaskadierten darüber liegenden Meetings bis hin zum Obeya-Room Meeting.
Vermeidung von Überforderung und Unterforderung
Überforderungszustände:
- Wenn die Anforderungen einer Aufgabe die Fähigkeiten einer Person übersteigen, kann dies zu Stress und Angst führen. Langfristige Überforderung kann Burnout und andere gesundheitliche Probleme verursachen.
Unterforderungszustände:
- Wenn die Anforderungen zu niedrig sind und die Fähigkeiten der Person übersteigen, führt dies zu Langeweile und Desinteresse. Unterforderung kann zu einem Verlust von Motivation und Kreativität führen.
Balance finden:
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Fördern und Fordern: Führungskräfte sollten darauf achten, Aufgaben so zu gestalten, dass sie herausfordernd, aber erreichbar sind. Dies fördert Flow-Erlebnisse und steigert die Zufriedenheit und Leistung der Mitarbeiter.
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Individuelle Fähigkeiten erkennen und weiterentwickeln: Durch das Verständnis und die Beachtung der individuellen Fähigkeiten und Interessen der Mitarbeiter können Führungskräfte die richtige Balance zwischen Fordern und Fördern finden und so Über- und Unterforderung vermeiden. Qualifikationslücken gilt es zu erkennen und durch entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen zu schließen.
Fördern und Fordern – Raus aus der Komfortzone
Um neue Herausforderungen anzugehen, ist es notwendig, aus der sogenannten Komfortzone herauszugehen. Fördern durch Fordern heißt, die Mitarbeiter:
- Immer einen Schritt weiter in noch nicht bekannte Themen der Lernzone vordringen zu lassen und dazu zu ermutigen.
- Die nicht bekannten Themen der Lernzone lernen zu lassen (qualifizieren) und die Erfahrungen machen zu lassen.
- Schrittweise aus der Lernzone die Komfortzone werden zu lassen.
- Die heutige Panikzone zur Lernzone von morgen werden zu lassen.
- Wer diesen Weg geht, sichert die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und Arbeitsplätze. Diese Vorgehensweise bildet sich in der von Mike Rother publizierten KATA ab.
Hindernisse und Schwierigkeiten sind Stufen, auf denen wir in die Höhe steigen.
(Friedrich Nietzsche, 1844-1900, dt. Philosoph)
Ein Beispiel aus meinem eigenen Leben Mein Enkel begann vor einigen Jahren, in einem Fußballverein zu spielen. Zu Beginn wurden die Tore offiziell nicht gezählt, um den Druck von den jungen Spielern zu nehmen. Doch die Natur der Menschen, besonders die der Kinder, führte dazu, dass die Tore heimlich gezählt wurden. Mein Enkel und fast alle seine Mitspieler wussten immer genau, wie das Spiel ausgegangen war. Das zeigt, wie tief die Naturgesetze in uns verankert sind. Diese Gesetze sind nicht bei jedem gleich stark ausgeprägt, sondern werden durch unsere Veranlagung und das Umfeld unterschiedlich beeinflusst. |
Integration moderner Erkenntnisse über Arbeitsmotivation
Psychologische Sicherheit
Moderne Forschung legt nahe, dass psychologische Sicherheit ein entscheidender Faktor für Leistung und Motivation ist. Mitarbeiter müssen sich in einem Umfeld sicher fühlen, um Risiken einzugehen und innovativ zu sein. Die Einführung von Programmen, die psychologische Sicherheit fördern, kann die Motivation steigern. Erfahren Sie mehr über psychologische Sicherheit nach Amy Edmondson.
Unterschiedliche Sichtweisen und einander Ernstnehmen fördern
Teams, die unterschiedliche Sichtweisen und die Einbeziehung jedes Mitglieds der Gruppe im Sinne "einander ernstnehmen" fördern, berichten oft von höherer Kreativität und Innovationsfähigkeit und besserer Problemlösung. Dies könnte als zusätzlicher Aspekt der "Bindung" im Artikel hervorgehoben werden.
Die Naturgesetze der Führung nach Prof. Felix von Cube
Prof. von Cube stellte fünf Naturgesetze der Führung vor, die eng mit unseren biologischen Trieben verknüpft sind. Diese Naturgesetze liefern uns wichtige Einblicke, wie wir diese Triebe in der modernen Arbeitswelt effektiv einsetzen können:
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Schaffung von Flow-Erlebnissen: Eine der wichtigsten Aufgaben einer Führungskraft ist es, Bedingungen zu schaffen, die Flow-Erlebnisse ermöglichen. Dies kann erreicht werden, indem man eine herausfordernde und dennoch erreichbare Arbeit definiert und einfordert und eine Umgebung schafft, die Konzentration und Engagement fördert.
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Anerkennung von Leistung: Anerkennung ist ein wichtiger Motivator. Führungskräfte sollten die Leistung ihrer Mitarbeiter anerkennen und würdigen. Dies stärkt nicht nur das Selbstvertrauen und die Motivation des Einzelnen, sondern fördert auch eine Kultur der Leistung im gesamten Team.
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Förderung von Bindungen: Starke Bindungen zwischen Teammitgliedern sind entscheidend für eine effektive Zusammenarbeit und Teamleistung. Führungskräfte können dies fördern, indem sie offene Kommunikation, gegenseitigen Respekt und Zusammenarbeit innerhalb des Teams fördern.
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Führung der Gesamtsozietät und Optimierung des gemeinsamen Handelns: Führungskräfte müssen am besten mit den Teams eine gemeinsame Vision und Ziele entwickeln und kommunizieren. Dies hilft, den Zusammenhalt und die Ausrichtung des Teams zu stärken und das gemeinsame Handeln zu optimieren.
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Etablierung einer Führungskultur und -ethik: Ein effektiver Führungsstil ist nicht nur eine Frage der Strategie und Taktik, sondern auch eine Frage der Kultur und Ethik. Führungskräfte sollten eine Kultur der Integrität, Verantwortung und Exzellenz fördern und eine ethische Führung ausüben, die als Vorbild für das gesamte Team dient.
Technologische Veränderungen und ihre Auswirkungen
Digitalisierung der Arbeitswelt
Die Digitalisierung hat die Arbeitswelt erheblich verändert und bietet sowohl Herausforderungen als auch Chancen. Remote-Arbeit und flexible Arbeitszeiten sollten als neue Aspekte beachtet werden. Das Umfeld und die Kommunikation ist so zu gestalten dass sie die Lust an Leistung positiv beeinflussen können.
Technologiegestützte Lernmöglichkeiten
Unternehmen können Technologie nutzen, um personalisierte Lern- und Entwicklungsprogramme zu erstellen, die Mitarbeitern helfen, ihre Fähigkeiten weiterzuentwickeln und ihre beruflichen Ziele zu erreichen. Diese Programme könnten die intrinsische Motivation und das Engagement steigern.
Fokus auf Nachhaltigkeit und Sinnstiftung
Nachhaltigkeitsziele
Immer mehr Mitarbeiter legen Wert auf die Nachhaltigkeit ihrer Arbeit. Das Einbeziehen von Nachhaltigkeitszielen in Unternehmensstrategien könnte als eine Möglichkeit betrachtet werden, die intrinsische Motivation und die Lust an Leistung zu steigern.
Sinnstiftende Arbeit
Der Trend hin zu sinnstiftender Arbeit zeigt, dass Mitarbeiter motivierter sind, wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Arbeit einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft hat. Dies könnte als Erweiterung des Neugier- und Bindungstriebes diskutiert werden.
Aktuelle Führungsansätze
Agile Führung
Agilität in der Führung, bei der sich Führungskräfte anpassen und auf Veränderungen reagieren, könnte als moderner Ansatz eingeführt werden, der die Lust an Leistung fördert. Diese Art von Führung unterstützt die Schaffung von Flow-Erlebnissen und fördert eine positive Arbeitsumgebung.
Empathische Führung
Empathie in der Führung ist heute wichtiger denn je. Führungskräfte, die in der Lage sind, die Perspektiven und Gefühle ihrer Mitarbeiter zu verstehen, können stärkere Bindungen aufbauen und die Motivation und Zufriedenheit verbessern.
Anwendung der Naturgesetze in der Praxis
Die Naturgesetze der Führung sind nicht nur theoretische Konzepte, sondern sie haben praktische Anwendungen in der realen Welt. Unternehmen, die diese Prinzipien anwenden, geben den Mitarbeitern den Raum, ihre Leistung zu entfalten. So entsteht eine hohe Produktivität bei hoher Zufriedenheit und hohem Engagement.
Doch die Anwendung dieser Prinzipien ist nicht immer einfach. Sie erfordert eine tiefgehende Kenntnis der menschlichen Natur, eine klare Vision und Strategie, effektive Kommunikation sowie die Fähigkeit, eine positive und unterstützende Arbeitsumgebung zu schaffen. Die Menschen sind es wert, diese Prinzipien erfolgreich umzusetzen. Menschen arbeiten gerne in einer Arbeitskultur, die zu nachhaltigem Erfolg und Wachstum führt.
Fazit und Ausblick
Die Lehren von Prof. Felix von Cube über die menschlichen Triebe und die Naturgesetze der Führung bieten uns wertvolle Einblicke in das Wesen der menschlichen Leistung und Führung. Sie erinnern uns daran, dass wir trotz aller technologischen Fortschritte und organisatorischen Veränderungen immer noch biologische Wesen sind, die von grundlegenden Trieben angetrieben werden.
Durch das Verständnis und die Anwendung dieser Prinzipien können wir unsere Führungsfähigkeiten verbessern, die Leistung unserer Teams steigern und einen positiven Beitrag zum Erfolg unserer Organisationen leisten. Es ist eine Reise, die Anstrengung und Engagement erfordert, aber die Erfolge sind enorm.
Literaturverweise
Weitere Informationen zu Prof. Felix von Cube und seinem Werk "Lust an Leistung" sowie zur Anwendung der Naturgesetze der Führung finden Sie in den folgenden Ressourcen:
- Cube, Felix von. "Lust an Leistung: Die Naturgesetze der Führung."
- Csikszentmihalyi, Mihaly. "Flow: The Psychology of Optimal Experience." Harper & Row, 1990.